Wie eine Computerfestplatte: Intelligenter Materialpuffer erhöht die Wettbewerbsfähigkeit

Schnelle interne Logistikketten sind ein wesentlicher Baustein, um die Produktivität eines Fertigungsbetriebes zu erhöhen. Gerade dann, wenn aus Serienelementen kundenindividuelle Lösungen ab Werk entstehen sollen, erhält der reibungslose Materialstrom eine Hauptrolle im ständigen Streben nach Kostenoptimierung.

Ein Beispiel für die Umstellung von Serienproduktion hin zur kundenindividuellen Herstellung sind Sandwich-Elemente für Sektionaltore. Die Sektionen entstehen in einem kontinuierlichen Fertigungsprozess auf einer rund 100 Meter langen Produktionsanlage - Kontilinie genannt. Die als Sandwich aufgebauten Sektionen bestehen aus zwei feuerverzinkten Stahlblechen als Außenhaut. PU-Schaum verbindet beide Seiten, gibt Stabilität und übernimmt die spätere Gebäudeisolierung. Verschiedene Torlängen und -breiten in Kombination mit unterschiedlichen Dicken, Farben und Oberflächenstrukturen führen dazu, dass ein Kompromiss zu finden ist zwischen kostenoptimierter Fertigung und der schnellen Montage von Toren in Losgröße Eins. Kunden erwarten zudem kurze Lieferzeiten nach der Bestellung. Vor diesem Hintergrund hat die Falk Steuerungssysteme GmbH aus dem niedersächsischen Stadthagen für einen Hersteller ein internes Hochregallager realisiert. Ein Regalbediengerät übernimmt darin die vollautomatische Kommissionierung einzelner Sektionen oder Stapel. Das Lager ist als intelligenter Materialpuffer für die fertigen Aufträge aus der Kontilinie konzipiert. Flexibilität stand bei der Projektierung ganz oben auf dem Wunschzettel. Die unterschiedlichen Sektionen mit ihren variierenden Längen und Breiten verfügen aus diesem Grund nicht über fest zugewiesene Stellplätze. Das macht die Intralogistik zwar überaus flexibel, führt aber auch zu komplexen Visualisierungs- und Steuerungsstrukturen. Hinzu kommt, dass das Lager im direkten Zugriff von SAP liegt und fest in die Leitebene des Standortes eingebunden ist.

 

 

 

"Das virtuelle Lager denkt in der Zukunft und schafft die Möglichkeit, künftige Kommissioniervorgänge vorauszuberechnen", freut sich Alexander Jung, Softwareentwickler bei Falk.

Das Lager denkt in der Zukunft

Die unterschiedlichen Sektionsstapel sind in der Visualisierung des Lagers deshalb als farbliche Cluster dargestellt. "Wir erreichen so, dass sich unterschiedliche Längen sehr gut visualisieren lassen", erläutert Alexander Jung, Softwareentwickler bei Falk. Die Konzeption ging so weit, dass Einlagerungsaufträge zunächst simuliert werden. "Das virtuelle Lager denkt in der Zukunft und schafft die Möglichkeit, künftige Kommissioniervorgänge vorauszuberechnen." Dahinter steckt das Ziel, zunächst zu ermitteln, ob Einlagerungen überhaupt möglich sind, und das bevor das Regalbediengerät die entsprechenden Fahrbefehle erhält. Damit auch hier die später real stattfindenden Logistikprozesse schnell zu erkennen sind, hat Falk für das virtuelle Lager eine Animationssoftware entwickelt. Sie zeigt die aktuelle Belegung des Lagers und die Bewegungen des von Falk konzipierten Regalbediengerätes. Der Hintergrund dieser ausgeklügelten Intralogistik liegt in der Natur der Sache eines Sektionaltores begründet. Sie werden in der Regel in Länge und Höhe individuell eingebaut. Während der Querschneider aus dem Fertigungsauftrag heraus die Sektionslänge am Ende der Kontilinie automatisch festlegt, bestimmt die Kombination unterschiedlicher Sektionshöhen die spätere Torgröße. Diese lassen sich aber in einem kontinuierlichen Produktionsprozess nicht gleichzeitig herstellen, sondern sind mit Blick auf teure Umrüstzeiten aus unterschiedlichen Fertigungschargen entsprechend zu kombinieren. Das hat Zwischenlagerung und eine auftragsbezogene Kommissionierung zur Folge.

Zwischenspeicherung fertiger Sektionen im internen Hochregallager.

Mit der Fertigung Schritt halten

Was das vollautomatische Regalbediengerät im internen Hochregallager jeweils ein- und auslagert, geben die Mitarbeiter der Arbeitsvorbereitung in das Leitsystem ein. Von hier aus werden auch die Fertigungsaufträge gesteuert, entweder durch direkte Eingaben oder aus dem SAP-System heraus. "Prozesse zu optimieren heißt, dass auch das Lagersystem selbst effizient und schnell arbeiten muss, um mit der Produktion Schritt zu halten", erläutert Martin Falk, Geschäftsführer der Falk Steuerungssysteme.
Die Experten haben das Lager so konzipiert, dass Aufträge aus der Fertigung in unmittelbarer Nähe der Einlagerungsstation platziert werden. Das hat für das Regalbediengerät kurze Distanzen und damit Zeitgewinne zur Folge. Dieser Weg würde aber im Umkehrschluss dazu führen, dass das Auslagern am anderen Ende des Lagers umso länger dauert.

Ein Kühligel nimmt die präzise abgelängten Sektionen auf.

Die Lösung:

Das System defragmentiert sich wie eine Computerfestplatte.
Wenn keine Ein- und Auslagerung stattfindet, platziert das RBG die zur Auslagerung anstehenden Aufträge um, schließt Lücken und räumt dabei auch den Einlagerungsbereich. Letztlich verlassen fertig kommissionierte Stapel das Lager. Das Regalbediengerät ist mit seiner Saugtraverse in der Lage, auch einzelne Sektionen von den Lagerplätzen zu entnehmen und alle für ein bestelltes Tor notwendigen Sektionen als ein Stapel der Weiterverarbeitung und Montage zu übergeben. Bereits bei der Einlagerung von Fertigungsaufträgen sind Gedanken darüber notwendig, wie die Einzelsektionen später schnell aus dem Lager zu bekommen sind. Ausgelagert zur Weiterverarbeitung der Sektionen in der Montagelinie wird über eine Brücke, die ihrerseits einen Materialpuffer darstellt. Typische Prozesse sind hier das auftragsbezogene Sägen, Bohren, Lackieren oder Stanzen. Auch diese Arbeiten sind komplett automatisiert. Dabei ist jedes Bauteil eindeutig in der Visualisierung zu verfolgen und fester Bestandteil der durchgängigen Datenhaltung. Mit einem Klick kann ein Bediener den kompletten Datenbestand abrufen - inklusive der Produktionsnummer aus dem Warenwirtschaftssystem. Wer in die Zeit vor dem intelligenten Lager zurückblickt, der sieht großflächige Außenlager als Puffer. Darin mussten Mitarbeiter die passenden Teile nicht selten zeitraubend suchen und manuell zusammenstellen. Ein weiterer Nachteil: Die Elemente sind der Verwitterung ausgesetzt, der Schrottanteil war hoch. Das interne Hochregallager ist heute ein Beispiel dafür, wie sich durch ausgefeilte Intralogistik und zielgerichtete Fertigung Sandwichelemente deutlich effizienter und damit preiswerter produzieren lassen. Unter dem Strich erhöht sich folglich die Wettbewerbsfähigkeit im international geprägten Markt.

Das System ist so konzipiert, dass das Regalbediengerät nur kurze Strecken zurücklegen muss.

Autor Thorsten Sienk ist freier Fachjournalist aus Bodenwerder.
Internet: http://www.sienk.de/

IT&PRODUCTION, 08-2009